Ein verheißungsvoller Besuch der Blüthner Pianofabrik in Großpösna

Manchmal werden Träume wahr, wenn man am wenigsten damit rechnet. In einer Zeit, die eher von Einschränkungen geprägt ist, mutet diese Geschichte wie ein kleines Wunder an:

Im Jahr 2005 rettete unser damaliger Direktor Herr Stumm einen alten, stark beschädigten Flügel aus einer anderen Schule. Auf unser Bitten hin fand er einen Platz im Treppenhaus unseres Gymnasiums, wo er – gelegentlich von musikalischen Schülerinnen und Schülern geweckt – seinen Dornröschenschlaf hielt. Dieser Blüthner-Flügel, gefertigt im Jahr 1895, galt als Juwel seiner Zeit – gleichsam der „Mercedes“ unter den Flügeln. Die Kosten für eine Restaurierung schienen lange unerschwinglich, doch die Hoffnung blieb bestehen.

Im Sommer 2023 entdeckte ein ehemaliger Schüler im Rahmen unseres traditionellen Sommerkonzerts das Instrument in der dritten Etage. Sofort erkannte er das Potenzial des Flügels und entschloss sich spontan, dessen Restaurierung zu ermöglichen. Der Flügel wurde daraufhin zur Blüthner Pianofabrik nach Großpösna bei Leipzig transportiert. Nach eingehender Begutachtung bestätigten die Fachleute: Eine Restaurierung lohne sich – das Instrument sei trotz seines Alters erhaltenswert.

Ein halbes Jahr später, im April 2025, hatten wir die Gelegenheit, den Fortschritt der Restaurierungsarbeiten direkt vor Ort zu erleben. Die traditionsreiche Julius Blüthner Pianofortefabrik, gegründet 1853, zählt heute zu den renommiertesten Klavierherstellern der Welt. In Großpösna werden neben neuen Flügeln auch historische Konzertinstrumente mit großer Sorgfalt und handwerklicher Kunstfertigkeit restauriert.

Unsere Schüler Amaliia Solovyeva (10b) und Iwan Warkentin (11), beide ausgezeichnete Pianisten der Musikschule Clara Wieck, begleiteten uns. Gemeinsam bestaunten wir die detailreichen Arbeitsprozesse: die sorgfältige Auswahl und Bearbeitung edler Hölzer, die Herstellung filigraner Filze, das Neubesaiten und die Erneuerung komplexer Rahmenkonstruktionen.

Auch Herr Turger, Vertreter des Freundeskreises des Diesterweg-Gymnasiums und Physiklehrer, betrachtete die Fertigungsprozesse mit fachlichem Interesse. Er stellte fest, dass zahlreiche Themengebiete der Physik in den Bau eines Flügels einfließen – darunter Statik, Mechanik, Schwingungslehre, Materialwissenschaften und Akustik. Besonders beeindruckend war, wie präzise Schallwellen durch das Resonanzverhalten der verwendeten Materialien beeinflusst werden.

Unser Flügel selbst war zum Zeitpunkt unseres Besuchs noch nicht vollständig zusammengesetzt, jedoch war seine Hülle bereits sichtbar. Über eine Seriennummer ließ sich seine Identität zweifelsfrei feststellen.

Zum Abschluss wurden wir in den hauseigenen Präsentationssaal geführt, wo eine beeindruckende Auswahl an Konzertflügeln auf uns wartete. Amalia eröffnete mit einer virtuosen Interpretation eines Liszt-Stücks den Reigen, während Iwan mit Prokofjews Sonate einen weiteren Glanzpunkt setzte. Der Vertreter von Blüthner war sichtlich beeindruckt von der Musikalität unserer Schüler. Schnell entwickelte sich ein begeisterter Austausch, bei dem viele verschiedene Flügel angespielt wurden. Besonders faszinierte uns der charakteristische, warme und zugleich präzise Klang der Instrumente.

Nach fast drei Stunden voller neuer Eindrücke verließen wir die Blüthner-Werkstätten beseelt und voller Vorfreude: Im kommenden September wird unser frisch restaurierter Blüthner-Flügel unsere Aula mit neuem Glanz erfüllen. Eine feierliche Einweihung ist bereits geplant – unsere Pianisten, Chöre und die Schulband werden dieses Ereignis musikalisch umrahmen.

Unser besonderer Dank gilt dem großzügigen Spender, der anonym bleiben möchte. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als dass der Flügel bei möglichst vielen Veranstaltungen zum Klingen gebracht wird und damit unsere musikalische Zukunft bereichert!

Text und Bilder: Fr. Schöler